Care and unconditional solidarity in the struggle for the right to housing.

Fürsorge und bedingungslose Solidarität im Kampf für das Recht auf Wohnen
Kommentar zum Workshop “Learning and Struggling in Pandemic Times
von Sandrine Woinzeck
See below:
French Version: Soins et solidarité inconditionnelle dans la lutte pour le droit au logement
Die gesellschaftliche Organisation und Gestaltung von Care-Arbeit steht mehr denn je zur Debatte. Im Workshop “Learning and Struggling in Pandemic Times” (21. und 22. Mai 2021) wurden die Beobachtung und der Anspruch diskutiert, dass die Frage nach Care-Arbeit eine transversale Verbindung verschiedener sozialer Bewegungen und Kämpfe ist. Hieran knüpft mein Text an. Auf der Basis meiner aktivistischen Erfahrungen werde ich argumentieren, dass Kämpfe um Wohnen mit Kämpfen um eine gerechte Organisation von Care-Arbeit verbunden sind. Die Erfahrungen von Organizing im Wohnumfeld und die Erfahrung der Pandemie (die uns auf unser Wohnumfeld zurückgeworfen hat) können Grundlage dafür sein, ein Bewusstsein für informell geleistete Care-Arbeit zu schaffen und neue solidarische Formen von Care-Arbeit zu leben und zu erkämpfen. Das Erfordernis sich zu organisieren und sich gegenseitig zu helfen, entsteht oft, wenn wir selbst ein Problem haben. In einer Stadt wie Berlin, in der die Wohnungssuche ein echter Kampf ist, bedeutet die Wohnungssuche oft, die Stadt zu verlassen, die Nachbarschaft, die unmittelbare Umgebung, das Netzwerk, alles, was unserem Leben einen Sinn gibt. Um dieser Dynamik entgegenzuwirken, gibt es nur eine Lösung, nämlich dafür zu kämpfen, dass das eigene Zuhause erhalten bleibt. Diesen Widerstand haben auch die Bewohner*innen des AmMa65 e.V., in dem ich wohne, geleistet. Ihre Geschichte und der Kampf um den Wohnraum inspirieren diesen Text.
Wenn wir unser tägliches Leben betrachten, sind wir paradoxerweise ständig in Kontakt mit anderen, um uns selbst zu versorgen und für uns selbst zu sorgen. Und das oft in unserer Nachbarschaft. Dieses Bedürfnis, dass die Anderen uns zu essen geben, uns ernähren oder unterbringen, ist so gut in unser wirtschaftliches und neoliberales System integriert, dass wir uns selbst als Kunden verstehen, die Dienstleistungen konsumieren. Wir vergessen die für den Menschen wesentliche Dimension: Der Mensch ist ein soziales Wesen, das den anderen meist zum Überleben, aber auch zum Leben und Glücklichsein braucht. Die ersten Schritte, um diese Notwendigkeit zu erkennen, werden oft dann gemacht, wenn wir verstehen, dass wir den Anderen jenseits der Dienste, die uns angeboten werden, brauchen, wenn Menschen, die wie wir betroffen sind, sich entschließen, uns zu unterstützen, wenn unsere Grundbedürfnisse wie ein Dach über dem Kopf in Frage gestellt werden.

Für viele Mieter*innen ist eine Organisation im eigenen Haus eine der ersten Erfahrungen mit Organizing und Aktivismus. In Berlin können die Betroffenen auf ein dichtes Netzwerk mietenpolitischer Initiativen und Erfahrungen zurückgreifen, so dass dieser Prozess des Organisationsaufbaus durch Gruppen von Mietern unterstützt wird, die ihr Wissen teilen und ihre Nachbarn unterstützen. So ist es oft der erste politische Kampf und die erste Erfahrung mit einem solidarischen Netzwerk der Hilfe. Dieser Kontakt kann das Verständnis der betroffenen Menschen von der Gesellschaft und ihren Funktionen verändern. Es führt aus der Isolation und der gefühlten Ohnmacht gegenüber den großen Immobilienfirmen heraus und öffnet eine neue Tür, um über andere Werte und vielleicht ein anderes System nachzudenken.
Unsere Sozialisation findet in einem individualistischen, isolierenden und neoliberalen Rahmen statt. Scheitern wird mit einem mangelnden Willen des Einzelnen verbunden. Die Verlierer dieser Gesellschaft hätten sich das “ausgesucht”, so der herrschende Diskurs. Vor allem dürften wir uns auf niemanden verlassen, denn jeder Mensch verfolge nur seine eigenen Interessen. Dieser Diskurs prägt auch unsere Wohnformen: Wir leben zwar in Gebäuden zusammen, misstrauen unseren Nachbarn, fürchten, dass der Kontakt mit ihnen ein Eindringen in unsere Privatsphäre und eine unkontrollierbare Veränderung unserer Lebensweise bedeuten würde.
Diese Vorurteile aus dem neoliberalen Narrativ werden durch die Erfahrung von Solidarität unter mietenpolitischen Initiativen und der damit gefundenen Unterstützung schnell dekonstruiert. Nach den ersten Hilferufen “SOS unser Gebäude wird an einen Immobilienspekulanten verkauft”, kommen die ersten Botschaften der Unterstützung, von unbekannten Menschen, die mitteilen: “Ich kenne Sie nicht, aber Sie sind Teil dieser Stadt und ich wünsche Ihnen, dass Sie bleiben, dass Sie in Frieden und ohne Angst in Ihrem Gebäude leben können.“ Diese unbekannten Menschen bieten die wenigen Stunden ihrer Freizeit an, um zu erklären, wie man organisiert, eine Strategie entwickelt, einen Flyer macht oder sie kommen, um die Aktionen zu unterstützen. Und sie bleiben in Kontakt, fragen nach Neuigkeiten und verfolgen die Entwicklung des aktiven Kampfes zur Rettung des Wohnraums der betroffenen Mieter*innen. Der Kampf um Wohnraum ermöglicht neue Erfahrungen von Zusammenhalt in der Stadt: Unsere Nachbarn machen sich dafür stark, dass wir bleiben, obwohl wir bisher “Angst” vor ihnen hatten. Wir lernen sie mit Namen kennen. Wir lernen alle Hausbewohner kennen, lernen ihre Qualitäten zu schätzen und ihre Fehler zu tolerieren. Niemand ist perfekt und wir sind gemeinsam auf einem Floß und versuchen, uns zu retten.

Der Angriff auf unseren Wohnraum führt uns also dazu, uns zu organisieren, uns zu solidarisieren, um bleiben zu können, um aus der Anonymität und Isolation herauszukommen, um ein “Wir” zu schaffen, das in der Lage ist, gegen die Immobilienriesen Widerstand zu leisten. Getrieben von dieser Notwendigkeit lernen wir uns kennen und lernen vielleicht sogar uns gegenseitig im Alltag zu unterstützen. Aber, um nicht zu sehr zu romantisieren, nicht alles ist so einfach. Oft hört diese Erfahrung der Solidarität auf, wenn die Kämpfe gewonnen oder verloren sind. Es sind die Krisen, in denen die Solidarität ihre Notwendigkeit findet. Sobald die Krise vorbei ist, neigen die Menschen dazu, sich wieder zu isolieren. Dennoch scheint mir, dass jede Erfahrung von Solidarität einen Menschen verwandelt und das Potenzial hat, unser Leben und unsere Werte zu verändern. Die Erfahrung des solidarischen Kampfes um Wohnraum pflanzt einen Samen, der wachsen kann oder auch nicht. Die Frage ist, wie man diese Saat zum Wachsen bringt, damit es wirklich gelingt, die Gesellschaft und unser System zu verändern.
Erst in der Abwesenheit von Dingen, Menschen und Werten erkennen wir ihr Wesen, ihre Bedeutung und ihre Nützlichkeit. Das ist ein Gedanke von Martin Heidegger, der mich während der Pandemie viel begleitet hat. Die Pandemiesituation kann als Lernerfahrung, aus der neue Idee von Solidarität geschöpft werden können verstanden werden. Der Shutdown hat unser Leben definitiv geprägt. Um zu verstehen, was das bedeutet, werden wir sicherlich Jahrzehnte brauchen. Zumal wir, wenn wir es schaffen, aus dieser Pandemie herauszukommen, in eine ökonomische, kulturelle, ökologische und soziale Krise geraten, deren Ausmaß uns bisher unbekannt ist.
Zunächst einmal hat uns die Pandemie aus unserem täglichen Leben herausgeholt und uns die Wichtigkeit oder im Gegenteil die Nutzlosigkeit einiger Elemente unseres Lebens verstehen lassen. Was uns fehlte, war nicht der Konsum, sondern der Kontakt mit Anderen. Gemeinsam ein Konzert oder eine Ausstellung besuchen. Sich gegenseitig zu sehen und zu berühren, um ‘Hallo’ zu sagen. Den Müll rauszubringen und einen Nachbarn zu treffen wurde zu einem Glücksmoment und noch mehr, wenn dieser Nachbar bekannt ist und geschätzt wird. In einem Park zu sein, in der Ferne, aber mit anderen Menschen, wurde auch zu einem Moment des Teilens. Es scheint mir, dass wir die Bedeutung des Anderen in unserem Leben außerhalb des Leistungsaustauschs verstanden haben, der sonst unser Bedürfnis nach dem Anderen zu definieren schien.
Die Frage des Wohnens war ein zentrales Thema während der Shutdowns. Wie wir die Pandemie überstanden haben, hing entscheidend von unserer Wohnsituation ab. Die Obdachlosen oder Geflüchteten, durften oder konnten sich nicht einmal schützen, während alle Hotels schließlich bis auf weiteres leer standen. Übrigens ist diese systematische Art, sie ihrer Grundrechte zu berauben und sie zu entmenschlichen, ist eine unerträgliche Obszönität. Der uns zur Verfügung stehende Platz zum Wohnen, die Möglichkeit, einen Garten oder einen Park in der Nähe zu nutzen, und die Garantie der Sicherheit, innerhalb unseres Wohnraums ließen uns in dieser Isolation mehr oder weniger gut leben.
Vergessen wir nicht, dass das Recht auf ein sicheres und würdiges Zuhause ein grundlegendes Menschenrecht ist. Dieses Recht wird von dem Moment an in Frage gestellt, in dem wir keine Wohnung haben oder wenn unsere Wohnung kein sicherer Ort mehr ist, z.B. wegen häuslicher Gewalt oder/und leider auch wegen der Kündigung unserer Mietverträge durch den Vermieter aus wirtschaftlichen Gründen. Während die Vermieter, unterstützt durch den Staat und unsere Steuern, von der Krise nicht betroffen waren, haben die Immobilieninvestoren weiter gekauft und ihr Portfolio erweitert. Der Kampf musste weitergehen.
Die Organisation der Mieter war während der Pandemie natürlich viel komplizierter. Wir hatten nur die Möglichkeit, uns online zu treffen und uns über das Wesentliche auszutauschen. Gefehlt haben die Momente vor oder nach jedem Treffen, in denen wir uns besser kennenlernen und die politische Energie von uns teilen können, um gemeinsam zu kämpfen. Mit der „Initiative Mieter:innen Gewerkschaft“ ist es uns in Berlin jedoch gelungen, Netzwerke zu schaffen, die es vorher nicht gab. So wurden zum Beispiel die Mieter*innen der über 130 Häuser des Immobilienkonzerns Heimstaden durch fast nur online Treffen vernetzt – allerdings mit viel weniger Macht und Vielfalt, als wenn wir uns in einem Hof oder einem Raum hätten treffen können, um unsere Strategien mit allen Mietern zu entwickeln. Manchmal hat diese Digitalisierung die Teilnahme von Eltern oder Menschen, die nicht zu den Treffen reisen können, ermöglicht, aber alle, die keinen Zugang zum Internet haben, vom Kampf ausgeschlossen. So mussten die Frauen von „Women in Exile“, um sich zu treffen und zu kämpfen, erst Internetverbindungen für ihre Mitglieder organisieren, was für sie eine zusätzliche Hürde darstellte. Diese Digitalisierung der lokalen Organisation hat uns auf lokaler Ebene geschwächt, aber merkwürdigerweise hat sie uns erlaubt, Verbindungen auf europäischer und globaler Ebene zu schaffen: Zum einen, weil die Pandemie weltweit war und wir alle die gleichen Probleme hatten. Zum anderen haben wir ganz pragmatisch digitale Routinen entwickelt. Wir sind heute fast alle in der Lage, ein Meeting online zu verfolgen. Daher ist die Entfernung jetzt von geringerer Bedeutung. Seltsamerweise sind in diesem Moment des “Zurück ins normale Leben“, der letzten Wochen, die europäischen und globalen Beziehungen schwächer geworden, während die lokalen Netzwerke erwachen.
Der Shutdown wirft die Frage nach unseren Bedürfnissen auf. Die Wirtschaft ist weitgehend gelähmt. Dies stellt eine echte Transformation in unserem kapitalistischen System dar. Ich hätte nie gedacht, dass dies möglich ist. Nur Verkaufsstellen des tägichen Bedarfs blieben erlaubt während den Rest eingeschränkt war. So konnten wir uns einen besseren Überblick verschaffen, was wir brauchen und wer sich um uns kümmert. Also fingen wir an, über wichtige Berufe wie Supermarktarbeiter:innen, Müllwerker:innen und natürlich Gesundheitspfleger:innen, Kindererzieher:innen und Ärzt:innen zu sprechen. Diese Berufe, “Care”-Berufe, wurden in der Zeit der Pandemie endlich zum Herzstück unserer Gesellschaften.
Nach der Pandemie scheint dieser Begriff “care”, verstanden als “sich kümmern”, eine ganz neue Dimension angenommen zu haben und folgende Fragen gewinnen neue Relevanz: Warum sind diese Arbeitsplätze, so wichtig sie für uns auch sind, so schlecht bezahlt? Welchen Platz hat diese Vorstellung von Fürsorge in unseren kapitalistischen Gesellschaften, in denen alles eine geldbringende Dienstleistung ist? Sollte der Begriff “care” nicht im Mittelpunkt eines politischen Diskurses stehen, um unser Zusammenleben zu definieren? Und für uns, die Aktivist*innen für das Recht auf Wohnen: Welche Rolle spielt dieser Begriff der “Fürsorge” für die Art und Weise, wie wir in unseren Städten, auf dem Land und im weiteren Sinne auf unserem Planeten leben?
Es scheint mir, dass eine solche Reflexion ein transformatives Potenzial für unsere Gesellschaften hat. Wenn wir diesen Begriff in den Mittelpunkt unserer Überlegungen und unseres Aktivismus stellen, müssen wir zunächst einmal darüber nachdenken, was wir brauchen und wie wir uns umeinander – und um den Planeten – kümmern können. Dieser Begriff der “Fürsorge” könnte eine intersektionale Verbindung unserer Kämpfe ermöglichen, aber uns auch erlauben, neue kollektive Ziele zu setzen und unser System auf seine Fähigkeit zu prüfen, für uns, die Lebenden und die Erde zu “sorgen”.

Andererseits könnte es uns, wenn wir diesen Begriff der “Fürsorge” in den Mittelpunkt unserer Forderungen stellen, ermöglichen, einen Diskurs, der oft von den Interessen der Mächtigen dieser Welt dominiert wird, wieder in die Hand zu nehmen. Zum Beispiel im Bereich des Wohnens. Die Tatsache, dass Wohnen als Konsumgut betrachtet wird, beschreibt nicht nur nicht die Realität der Mieter:innen, sondern verweigert ihr Grundrecht auf eine sichere, würdige und nicht prekäre Wohnung. Der Begriff “care” stellt unsere Bedürfnisse und unsere gegenseitige Unterstützung, diese zu erfüllen, in den Mittelpunkt der Diskussion. Dies ändert die gesellschaftliche Austragung mietenpolitischer Konflikte: Eine Minderheit könnte den Diskurs nicht mehr dominieren, denn wenn es um Pflege und Bedürfnisse geht, kann niemand für uns sprechen. Niemand könnte den Diskurs manipulieren, denn es läge an UNS, zu definieren, was WIR gemeinsam aufbauen wollen. Zudem eröffnet die Berücksichtigung von Care-Aspekten im Diskurs über Wohnen die Möglichkeit, eine Vielfalt von Wohnformen zu thematisieren, die an unsere Bedürfnisse und Lebensweisen angepasst sind und die über die normativen Vorstellungen unseres kapitalistischen, kulturellen und sozialen Systems hinausgehen.
Dieser Begriff der “Fürsorge” kann jedoch nur dann in den Mittelpunkt unserer Gesellschaft gerückt werden, wenn wir über den Individualismus hinausgehen und uns entscheiden, füreinander zu sorgen. Diese Sorge um den anderen ist die Grundlage der Solidarität. So kommen wir zurück auf die Bedeutung der Erfahrung von Solidarität in unserem täglichen Kampf um einen Wohnraum, in dem unsere Bedürfnisse berücksichtigt werden und in dem wir Konsumformen in unseren Wohnverhältnissen hinterfragen. In derlei sozialen Konflikten lernen wir, Bedürfnisse auszuhandeln, für uns selbst zu sorgen und unsere Rechte zu verteidigen. Dies kann uns zu dem Verständnis führen, dass ein Leben in Solidarität eine Wahl ist, die wir gemeinsam treffen können. Dieser Gedanke ist definitiv revolutionär und hat bereits unsere Geschichte geprägt. Durch diesen Reflexionsprozess können Kämpfe um Wohnraum, Kämpfe um eine gerechte Gestaltung von Care-Arbeit inspirieren und stärken. Darüber hinaus kann eine solche, für Fürsorge sensible Perspektive Fragen von Klimagerechtigkeit auch in urbanen, mietenpolitischen Bewegungskontexten aufwerfen. Angesichts der ökologischen Katastrophe, die uns erwartet, könnte ein Leben in Solidarität unseren Planeten und die kommenden Generationen retten. Aber sind wir bereit, diesen Schritt zu gehen? Sind wir bereit, aufzuhören zu konsumieren, Reichtum anzuhäufen und andere Menschen auszubeuten, um in bedingungsloser Solidarität zu leben? Aber haben wir tatsächlich eine Wahl?

Sandrine Woinzeck kommt aus Frankreich und hat Philosophie studiert. Sie ist aus eigener Betroffenheit mietenpolitische Aktivistin geworden. Sie ist Mitgründerin des AmMa 65 e.V., von Häuser Bewegen und von der Initiative Mieter*innen Gewerkschaft. Sie ist auch Teil des Berliner Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn und Teil des gleichnamigen bundesweiten Bündnisses.
Soins et solidarité inconditionnelle dans la lutte pour le droit au logement.
Commentaire sur l’atelier “Learning and Struggling in Pandemic Times” (21. et 22. Mai 2021)
L’organisation sociale et la conception du travail de care sont plus que jamais sujettes à débat. Le workshop a discuté de l’observation et de l’affirmation que la question du travail de care est une connexion transversale de différents mouvements et luttes sociales. C’est là que mon texte entre en jeu. Sur la base de mes expériences militantes, je soutiendrai que les luttes autour du logement sont liées aux luttes autour d’une organisation juste du travail de care. L’expérience de l’organisation dans le domaine du logement et l’expérience de la pandémie (qui nous a renvoyés à notre environnement de logement) peuvent servir de base pour créer une conscience du travail de care effectué de manière informelle et pour vivre et lutter pour de nouvelles formes solidaires de travail de care. La nécessité de s’organiser et de s’entraider apparaît souvent lorsque nous avons nous-mêmes un problème. Dans une ville comme Berlin, où trouver un appartement est un véritable parcours du combattant, trouver un appartement signifie souvent quitter la ville, le quartier, l’environnement immédiat, le réseau, tout ce qui donne un sens à notre vie. Pour contrer cette dynamique, il n’y a qu’une seule solution, celle de se battre pour conserver son logement. Les habitants d’AmMa65 e.V., où je vis, ont également opposé cette résistance. Leur histoire et la lutte pour le logement inspirent ce texte.
Paradoxalement, lorsque nous regardons notre vie quotidienne, nous sommes constamment en contact avec les autres afin de subvenir à nos besoins et de prendre soin de nous. Et cela se passe souvent dans notre quartier. Ce besoin que d’autres nous nourrissent, nous alimentent ou nous logent est si bien intégré dans notre système économique et néolibéral que nous nous considérons comme des clients consommant des services. Nous oublions la dimension essentielle de l’être humain : l’être humain est un être social qui a besoin de l’autre surtout pour survivre, mais aussi pour vivre et être heureux. Les premiers pas vers la reconnaissance de ce besoin sont souvent faits lorsque nous comprenons que nous avons besoin de l’autre au-delà des services qui nous sont offerts, lorsque des personnes touchées comme nous décident de nous soutenir, lorsque nos besoins fondamentaux comme un toit au-dessus de nos têtes sont remis en question.

Pour de nombreux locataires, l’organisation dans leur propre bâtiment est l’une de leurs premières expériences d’organisation et de militantisme. À Berlin, les personnes concernées peuvent s’appuyer sur un réseau dense d’initiatives et d’expériences en matière de politique des loyers, de sorte que ce processus de construction de l’organisation est soutenu par des groupes de locataires qui partagent leurs connaissances et soutiennent leurs voisins. Ainsi, il s’agit souvent du premier combat politique et de la première expérience avec un réseau d’aide solidaire. Ce contact peut modifier la compréhension qu’ont les personnes concernées de la société et de ses fonctions. Il permet de sortir de l’isolement et du sentiment d’impuissance face aux grandes sociétés immobilières et ouvre une nouvelle porte pour réfléchir à d’autres valeurs et peut-être à un autre système.
Notre socialisation se fait dans un cadre individualiste, isolant et néolibéral. L’échec est associé à un manque de volonté de la part de l’individu. Les perdants de cette société l’ont “choisie”, selon le discours dominant. Il ne faut surtout pas se fier à qui que ce soit, car chacun ne poursuit que ses propres intérêts. Ce discours façonne également nos formes de logement : Bien que nous vivions ensemble dans des immeubles, nous nous méfions de nos voisins, craignant que le contact avec eux ne signifie une invasion de notre vie privée et un changement incontrôlable de notre mode de vie.
Ces préjugés issus du récit néolibéral sont rapidement déconstruits par l’expérience de la solidarité entre les initiatives de lutte contre la spéculation sur les logements et le soutien qui leur est apporté. Après les premiers appels au secours, “SOS notre immeuble est en train d’être vendu à un spéculateur immobilier”, viennent les premiers messages de soutien, d’inconnus qui communiquent : “Je ne vous connais pas, mais vous faites partie de cette ville et je vous souhaite de rester, de vivre en paix et sans peur dans votre immeuble.” Ces inconnus offrent les quelques heures de leur temps libre pour expliquer comment s’organiser, développer une stratégie, faire un flyer ou ils viennent soutenir les actions. Et ils restent en contact, demandent des nouvelles et suivent le développement de la lutte active pour sauver le logement des locataires concernés. La lutte pour le logement permet de nouvelles expériences de cohésion dans la ville : nos voisins plaident avec force pour que nous restions, même si nous avons eu “peur” d’eux jusqu’à présent. Nous apprenons à les connaître par leur nom. Nous apprenons à connaître tous les colocataires, à apprécier leurs qualités et à tolérer leurs défauts. Personne n’est parfait et nous sommes sur un radeau ensemble pour essayer de nous sauver.

Ainsi, la remise en cause de nos logements nous pousse à nous organiser, à être solidaires pour pouvoir rester, à sortir de l’anonymat et de l’isolement, à créer un “nous” capable de résister aux géants de l’immobilier. Animés par ce besoin, nous apprenons à nous connaître et peut-être même à nous soutenir mutuellement dans la vie quotidienne. Mais, sans vouloir être trop romantique, tout n’est pas si facile. Souvent, cette expérience de solidarité s’arrête lorsque les luttes sont gagnées ou perdues. C’est dans les crises que la solidarité trouve sa nécessité. Dès que la crise est passée, les gens ont tendance à s’isoler à nouveau. Pourtant, il me semble que toute expérience de solidarité transforme une personne et a le potentiel de changer nos vies et nos valeurs. L’expérience de la lutte solidaire pour le logement plante une graine qui peut ou non pousser. La question est de savoir comment faire pousser cette graine pour qu’elle réussisse réellement à changer la société et notre système.
Ce n’est qu’en l’absence de choses, de personnes et de valeurs que nous réalisons leur essence, leur signification et leur utilité. C’est une pensée de Martin Heidegger qui m’a beaucoup accompagné pendant la pandémie. La situation de pandémie peut être comprise comme une expérience d’apprentissage dont on peut tirer de nouvelles idées de solidarité. Le shutdown a définitivement façonné nos vies. Pour comprendre ce qu’il signifie, nous aurons certainement besoin de décennies. D’autant plus que, si nous parvenons à sortir de cette pandémie, nous entrerons dans une crise économique, culturelle, écologique et sociale dont l’ampleur nous est encore inconnue.
La pandemie nous a fait sortir de notre quotidien et nous a fait comprendre l’importance ou, au contraire, l’inutilité de certains éléments de notre vie. Ce qui nous manquait, ce n’était pas la consommation, mais le contact avec les autres. Aller ensemble à un concert ou à une exposition. Se voir et se toucher pour se dire “bonjour”. Sortir les poubelles et rencontrer un voisin devient un moment de bonheur et encore plus lorsque ce voisin est connu et apprécié. Le fait d’être dans un parc, loin mais avec d’autres personnes, est aussi devenu un moment de partage. Il me semble que nous avons compris l’importance de l’Autre dans nos vies en dehors de l’échange de services qui, par ailleurs, semblait définir notre besoin de l’Autre.
La question du logement était une question centrale pendant les confinements. La façon dont nous avons survécu à la pandémie dépendait essentiellement de notre situation en matière de logement. Les sans-abri ou les réfugiés n’ont pas été autorisés à s’abriter ou même à le faire, tandis que tous les hôtels sont restés vides jusqu’à nouvel ordre. D’ailleurs, cette façon systématique de les priver de leurs droits fondamentaux et de les déshumaniser est une obscénité intolérable. L’espace de vie dont nous disposions, la possibilité d’utiliser un jardin ou un parc à proximité, et la garantie de sécurité, au sein de notre espace de vie, nous permettaient de vivre plus ou moins bien dans cet isolement.
N’oublions pas que le droit à un logement sûr et digne est un droit humain fondamental. Ce droit est remis en cause à partir du moment où nous n’avons pas de logement ou lorsque notre logement n’est plus un endroit sûr, par exemple en raison de violences domestiques et/ou malheureusement aussi en raison de la résiliation de nos contrats de location par le propriétaire pour des raisons économiques.
Alors que les propriétaires, soutenus par l’État et nos impôts, n’ont pas été touchés par la crise, les investisseurs immobiliers ont continué à acheter et à élargir leur patrimoine. La lutte devait se poursuivre.
L’organisation des locataires était bien sûr beaucoup plus compliquée pendant la pandémie. Nous avons seulement eu l’occasion de nous rencontrer en ligne et d’échanger des éléments essentiels. Ce qui manquait, c’était les moments avant ou après chaque réunion où nous pouvions apprendre à mieux nous connaître et partager l’énergie politique de nous battre ensemble. Cependant, avec l'”Initiative Mieter:innen Gewerkschaft“, nous avons réussi à créer à Berlin des réseaux qui n’existaient pas auparavant. Par exemple, les locataires* des plus de 130 maisons de la société immobilière Heimstaden ont été mis en réseau par des réunions presque uniquement en ligne – mais avec beaucoup moins de puissance et de diversité que si nous avions pu nous réunir dans une cour ou une salle pour développer nos stratégies avec tous les locataires. Parfois, cette digitalisation a permis aux parents ou aux personnes qui ne peuvent pas se rendre aux réunions de participer, mais a exclu de la
lutte tous ceux qui n’ont pas accès à l’internet. Par exemple, pour se réunir et lutter, les femmes de Women in Exile ont d’abord dû organiser des connexions Internet pour leurs membres, ce qui a constitué un obstacle supplémentaire pour elles. Cette digitalisation de l’organisation locale nous a affaiblis au niveau local, mais étrangement, elle nous a permis de créer des connexions au niveau européen et mondial : D’une part, parce que la pandémie était mondiale et que nous avions tous les mêmes problèmes. D’autre part, nous avons développé des routines numériques de manière très pragmatique. Aujourd’hui, nous sommes presque tous en mesure de suivre une réunion en ligne. La distance a donc moins d’importance maintenant. Étrangement, en ce moment de “retour à la vie normale”, ces dernières semaines, les relations européennes et mondiales se sont affaiblies tandis que les réseaux locaux s’éveillent.
Le shutdown pose la question de nos besoins. L’économie est largement paralysée. Cela représente une véritable transformation de notre système capitaliste. Je n’ai jamais pensé que c’était possible. Seuls les points de vente destinés aux besoins quotidiens sont restés autorisés, les autres étant soumis à des restrictions. Cela nous a donné un meilleur aperçu de ce dont nous avons besoin et de qui s’occupe de nous. Nous avons donc commencé à parler de professions importantes comme les employés de supermarché, les éboueurs et, bien sûr, les travailleurs de la santé, les puériculteurs et les médecins. Ces métiers, les métiers du “care”, sont finalement devenus le cœur de nos sociétés pendant la pandémie.
Après la pandémie, ce terme de ” care “, compris comme ” s’occuper de “, semble avoir pris une toute nouvelle dimension et les questions suivantes gagnent en pertinence : Pourquoi ces emplois, aussi importants qu’ils soient pour nous, sont-ils si mal payés ? Quelle est la place de cette notion de soin dans nos sociétés capitalistes où tout est un service qui rapporte de l’argent ? Le terme ” care ” ne devrait-il pas être au centre d’un discours politique visant à définir notre façon de vivre ensemble ? Et pour nous, militants pour le droit au logement : Quel rôle cette notion de “care” joue-t-elle dans la façon dont nous vivons dans nos villes, dans nos campagnes et plus largement sur notre planète ?
Il me semble qu’une telle réflexion a un potentiel transformateur pour nos sociétés. Si nous plaçons cette notion au centre de notre réflexion et de notre militantisme, nous devons d’abord réfléchir à ce dont nous avons besoin et à la manière dont nous pouvons prendre soin les uns des autres – et de la planète. Cette notion de ” care ” pourrait permettre une connexion intersectionnelle de nos luttes, mais aussi nous permettre de fixer de nouveaux objectifs collectifs et de tester notre système pour sa capacité à ” prendre soin ” de nous, des vivants et de la terre.

D’autre part, placer cette notion de “care” au centre de nos revendications pourrait nous permettre de reprendre le contrôle d’un discours souvent dominé par les intérêts des puissants de ce monde. Par exemple, dans le domaine du logement. Le fait que le logement soit considéré comme un bien de consommation non seulement ne décrit pas la réalité des locataires, mais nie leur droit fondamental à un logement sûr, digne et non précaire. Le terme “soins” place nos besoins et notre soutien mutuel pour les satisfaire au centre de la discussion. Cela change la façon dont les conflits liés à la politique des loyers se jouent dans la société : une minorité ne pourrait plus dominer le discours, car lorsqu’il s’agit de soins et de besoins, personne ne peut parler en notre nom. Personne ne pourrait manipuler le discours, car ce serait à NOUS de définir ce que NOUS voulons construire ensemble. En outre, la prise en compte des aspects liés aux soins dans le discours sur le logement ouvre la possibilité d’aborder une variété de formes de logement adaptées à nos besoins et à nos modes de vie et qui vont au-delà des notions normatives de notre système capitaliste, culturel et social.
Toutefois, cette notion de ” care ” ne peut être portée au centre de notre société que si nous dépassons l’individualisme et décidons de prendre soin les uns des autres. Cette attention à l’autre est la base de la solidarité. Nous en revenons donc à l’importance de faire l’expérience de la solidarité dans notre lutte quotidienne pour le logement, où nos besoins sont pris en compte et où nous remettons en question les formes de consommation dans nos conditions de logement. Dans ces conflits sociaux, nous apprenons à négocier nos besoins, à prendre soin de nous et à défendre nos droits. Cela peut nous amener à comprendre que vivre en solidarité est un choix que nous pouvons faire ensemble. Cette idée est définitivement révolutionnaire et a déjà façonné notre histoire. Grâce à ce processus de réflexion, les luttes pour le logement peuvent inspirer et renforcer les luttes pour une conception juste du travail de care. En outre, une telle perspective, sensible aux besoins, peut soulever des questions de justice climatique également dans des contextes de mouvements urbains et de politique de logement. Face à la catastrophe écologique qui nous attend, vivre en solidarité pourrait sauver notre planète et les générations futures. Mais sommes-nous prêts à franchir cette étape ? Sommes-nous prêts à cesser de consommer, d’accumuler des richesses et d’exploiter les autres pour vivre dans une solidarité inconditionnelle ? Mais avons-nous vraiment le choix ?

Sandrine Woinzeck vient de France et a étudié la philosophie. Elle est devenue une activiste de droit au logement de sa propre expérience. Installée à Berlin, Sandrine est cofondatrice d’AmMa 65 e.V., de Häuser Bewegen et de l’initiative Mieter*innen Gewerkschaft. Elle fait également partie de l’Alliance berlinoise contre Verdrängung und Mietenwahnsinn et de l’alliance nationale du même nom.
Photographs: AmMa 65 e.V.