Gleanings: Harte Prüfung

Gleanings: Harte Prüfung – Mieter*innen-Organizing im Leipziger Quartier in Pandemiezeiten

Peter Bescherer und Kristina Heller

„So macht Krise Spaß“, brachte ein kritischer Kommentar (Metzger 2020) auf den Punkt, dass die Gewinnsträhne der Wohnungskonzerne auch während der Pandemie anhält. Nicht nur sind die Immobilienpreise und Mieten in Deutschland im Coronajahr weiter gestiegen. Auch eine Beteiligung an den Kosten der Krise scheint den Unternehmen nicht zu drohen. Im Gegenteil: Die wenigen Erleichterungen für Mieter*innen werden direkt an die Wohnungsriesen weitergereicht (Kuhn 2020). Während Deutsche Wohnen & Co. von der Krise profitieren, setzt sie der Mieter*innenbewegung stark zu. Drohen die in den letzten Jahren vielerorts gewachsenen Pflänzchen des Transformative Community Organizings (TCO) zu verkümmern oder haben sie Wurzeln schlagen können, die sie für das Krisenmanagement und die Zeit danach besonders befähigen? Auf präsentisches Miteinander und öffentlichen Raum angewiesen, wird TCO in pandemischen Zeiten stark herausgefordert. Andererseits bemüht sich Organizing um besonders belastbare Beziehungen, die über das Trennende der Pandemie hinweghelfen könnten. Anhand unserer Erfahrungen in einer Mietergemeinschaft im Leipziger Nordosten wollen wir Überlegungen zur Bewältigung der COVID-Krise durch Organizing-Projekte, aber auch zu Grenzen des Organizing-Ansatzes zur Diskussion stellen. Wir gehen so vor, dass wir zunächst die Grundzüge des TCO (1) und unseren Untersuchungsfall (2) vorstellen. Anschließend schildern wir die Auswirkungen (3) und die vorläufige Bewältigung (4) der Pandemie. Abschließend stellen wir Schlussfolgerungen an, die über das konkrete Quartier und seine Bewohner*innen hinausweisen (5).

1 Mieter*innenbewegung und Transformative Community Organizing

Im Großen und Ganzen kann die Bewegungslandschaft der 1980er und -90er Jahre als in weiten Teilen fragmentierte Gegen- oder Subkultur beschrieben werden. Initiativen und Netzwerke, die sich seit Mitte der Nullerjahre und insbesondere nach dem globalen Crash der Finanzmärkte 2007 unter der Forderung nach einem Recht auf Stadt versammeln, sind hingegen an einer breiten sozialen Basis interessiert. Dass dennoch eine Ausdifferenzierung institutioneller, alternativer und basisorientierter Ansätze erfolgt, gehört zur ‚normalen‘ Entwicklung von Bewegungen und kann ihrer Fähigkeit zur Beeinflussung sozialen Wandels nur nützen. Die Rolle des basisorientierten Arms der urbanen sozialen Bewegungen nehmen immer häufiger Initiativen und Gruppen ein, die sich auf Grundsätze des Community Organizings stützen (Común 2019).

Anders als bei der ‚üblichen‘ Kampagnenarbeit von Bewegungsinitiativen (Kundgebung, Demo, Aktionstage, Gegenkongress, Diskussionsveranstaltungen, Flugblätter etc.) geht es beim Organizing darum, anschlussfähige Angebote für Politisierung und politische Artikulation zu schaffen. Mithilfe aktivierender Ansprache sollen – auch jenseits des politischen und kulturellen Milieus des links-grünen Lagers – Menschen gewonnen werden, die keine Erfahrung mit Politik haben oder auch regelrecht politik-distanziert sind. Anknüpfend an alltagsweltlichen Erfahrungen mit Ungleichheit und Ungerechtigkeit, zielt Organizing darauf ab, vorhandene Machtressourcen zu aktivieren und verlässliche Strukturen zur Durchsetzung von Teilhabeforderungen aufzubauen (Maruschke 2014). Die Krise am Wohnungsmarkt ist eine solche Alltagserfahrung. Vor allem in den Großstädten sind Versorgungslücken, steigende Mieten und Verdrängung ein in den letzten Jahren wachsendes Problem. Im Mieter*innen-Organizing geht es dementsprechend darum, Solidarität zwischen verschiedenen Betroffenen herzustellen und gemeinsam die Auseinandersetzung um diesen Bereich der Daseinsvorsorge zu führen. Entscheidend ist, dass erfolgreiche Organisierung konkrete Formen der Verantwortungsübernahme und Selbstwirksamkeit voraussetzt. Damit geht der Aufbau persönlicher Beziehungen zwischen langjährigen Aktivist*innen und politisch Unerfahrenen einher, wie es in linken ‚Mobilisierungen‘ sonst nicht erfolgt. Die Offenheit in der Ansprache, vermittelbare politische Ziele sowie Verlässlichkeit und Verbindlichkeit in der gemeinsamen Arbeit sollen aus der bubble des Protestmilieus hinausführen dazu beitragen, dass eine gesellschaftliche Bewegung entsteht. Über sozialpädagogische Konzepte (Gemeinwesenarbeit) und politische Programme (Quartiersmanagement) hinausgehend rückt TCO strukturelle Antagonismen und deren Überwindung (Transformation) ins Zentrum. In diesem Sinne soll die Arbeit am konkreten Wohnungsproblem zugleich den Raum für die Diskussion sehr grundsätzlicher Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens eröffnen. Die Lösung der Wohnungsfrage kommt dieser Perspektive nach nicht darum herum, den Konflikt um die Grenzen der Profitschöpfung und die Ausgestaltung der öffentlichen Daseinsvorsorge auszutragen.

2 Der Leipziger Nordosten – (k)ein typisches Aufwertungsquartier?

Unter Rückgriff auf die Grundsätze des TCO hatte sich Beginn 2019 eine Gruppe von Leipziger Aktivist*innen entschieden, in einem Quartier im nordöstlichen Stadtgebiet eine Initiative für bezahlbares Wohnen aufzubauen. Dort hatte das deutschlandweit führende Wohnungsunternehmen Vonovia einen umfangreichen Häuserbestand übernommen und profitorientiert zu bewirtschaften begonnen (zur Geschäftspraxis vgl. Unger 2018). Das Quartier wird im Integrierten Stadtentwicklungskonzept als „strukturell benachteiligt“ beschrieben. Im Ortsteil leben insgesamt rund 13.000 Menschen. Der Anteil von Arbeitslosen und Transferleistungsempfänger*innen liegt leicht über dem städtischen Durchschnitt; das Nettoeinkommen der Haushalte darunter. Viele Bewohner*innen sind höheren Alters und haben hier einen Großteil ihres Lebens verbracht, aber auch der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Wahlbeteiligung ist generell gering, das Wahlverhalten spricht aber für eine große politische Dynamik, haben doch CDU und insbesondere SPD stark an Stimmen verloren, Die Linke und die AfD hingegen an Zuspruch gewonnen. Exemplarisch treffen hier die Krise sozialer Infrastrukturen und postdemokratische Haltungen aufeinander. Dementsprechend will die Mieterinitiative den Konflikt mit dem Wohnungsunternehmen (fehlerhafte Abrechnung der Betriebskosten, entpersonalisierte Verwaltungsabläufe, zweifelhafte Modernisierungen) in kollektiv-organisierter Form austragen, darüber hinaus aber auch Einfluss auf die kommunale Wohnungspolitik nehmen und die Bewohner*innen für grundsätzliche Veränderungen der Wohnraumversorgung und sozialen Daseinsvorsorge gewinnen.

Die Initiative, an der wir als Aktivist*in mit wissenschaftlichen Interessen an der Wohnungs- und Bewegungsforschung selbst beteiligt sind,1 hat in der Zeit ihres Bestehens verschiedene Organizing-Strategien umgesetzt. Durch aktivierende Ansprache (Haustürgespräche) und konsequente Beziehungsarbeit ist es gelungen, eine Gruppe von Aktiven aus der Nachbarschaft zusammenzubringen, die sich in regelmäßigen Versammlungen und in Arbeitsgruppen (Betriebskosten, Stadtpolitik, Öffentlichkeitsarbeit) treffen. Um diesen Kreis von Aktiven gibt es weitere Unterstützer*innen, so dass die Initiative gute Chancen hat sich im Quartier zu etablieren. Trotz wiederkehrender Schübe von Resignation und Ohnmacht konnten wir die Ausbildung einer gemeinsamen Diskussions-, Beteiligungs- und Entscheidungskultur beobachten. Die Mieterinitiative war auf dem Weg zu einer öffentlich wahrnehmbaren und sprechfähigen Selbstorganisierung als im März 2020 die COVID-Pandemie ausbrach.

Bevor wir näher auf die Herausforderung durch die Pandemie eingehen, möchten wir unsere Überlegungen einordnen. In verschiedener Hinsicht lenkt unsere Fallstudie die Aufmerksamkeit auf den Umgang sozialer Bewegungen mit Differenz. Exemplarisch ist zum einen die im Quartier verbreitete Politikmüdigkeit, die mit teils rechtspopulistischen Tendenzen einhergeht (Bescherer 2021). Hier Organizing zu betreiben, so dass soziale Sicherheit und offene Gesellschaft gestärkt werden, ist eine Aufgabe und eine Chance. Zum anderen hat es unsere Initiative mit einem Entwicklungstrend demographischer Art zu tun, sind die meisten der organisierten Mieter*innen doch höheren Alters. Ohnehin nicht als Subjekt von (Bewegungs-)Politik betrachtet,2 gelten Ältere in Pandemiezeiten vor allem als Risikogruppe und Adressat*innen von Fürsorge (Graefe u.a. 2020). Sich auf Ältere einzustellen, die „enormously affected by the insecurity evoked by rising rents and currently left behind by contemporary housing politics“ sind (Genz 2019: 189), ist eine große Herausforderung für die wohnungspolitische Bewegung. Unter den Bedingungen der Pandemie, die veränderte Anforderungen an Kommunikation und Protest mit sich bringt, umso mehr.

3 Kurze (?) Unterbrechung: Wie die Pandemie Quartier und Organizing trifft

Im Großen wie im Kleinen ist der Zeitpunkt des Pandemie-Ausbruchs zu beachten. „The pandemic and the lockdown occurred in a specific historical context that deeply affected social movements”, schreibt Geoffrey Pleyers (2020) und meint damit vor allem die globale Krise der liberalen Demokratie. Spürbar bei der Beobachtung des Weltgeschehens aber auch vor Ort in Leipzig und als alltägliche Sorge. Am 5. Februar 2020 lässt sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen der AFD zum Ministerpräsidenten wählen. Am 19. Februar erschießt in Hanau ein rassistisch motivierter Attentäter zehn Personen in einer Shisha-Bar. In der Nacht vom ersten auf den zweiten März eskaliert die Situation an der griechischen Außengrenze. Infolgedessen kommt es auf den griechischen Inseln zu Übergriffen auf Geflüchtete, Journalist*innen und NGOs. Jedes einzelne Ereignis erfordert eine entschlossene Positionierung seitens der Linken, doch die Ereignisdichte ist so hoch, dass der Eindruck entsteht, aktivistisch kaum noch einen Fuß an den Boden zu bekommen. Und dann kommt Corona.

Der 2. März ist auch der Tag, an dem wir unsere letzte reguläre Mieterversammlung abhalten. Corona ist schon ein Thema, ernsthaft besorgt ist aber noch niemand. Wir treffen uns zum ersten Mal in den neuen Räumlichkeiten der Poliklinik. Im Sinne einer gemeinsamen, nachbarschaftsorientierten Ausrichtung unserer politischen Arbeit wollen wir die Räume des solidarischen Gesundheitszentrum nun für unsere Treffen nutzen. Im Fokus stehen die Vorbereitungen für den Housing Action Day am 28. März. Für viele Mieter*innen wird es die erste Demo sein, die sie mitgestalten. Eine gute Grundlage für wichtige Aushandlungen und Erfahrungen: bezüglich der Wohnungsfrage, ausgehend von der Poliklinik aber z.B. auch über gesellschaftliche Solidarität. Kurz darauf häufen sich die Nachrichten von Corona-Hotspots und die Lage sowie die Maßnahmen im europäischen Ausland lassen bereits erahnen, dass Ähnliches in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit ist. Schon vor der offiziellen Verfügung der sächsischen Landesregierung, die am 24. März in Kraft tritt, werden zahlreiche Veranstaltungen abgesagt. Der Schutz von Risikogruppen sowie solidarische Apelle gegen das Horten von Lebensmitteln und Klopapier stehen nun schlagartig im Vordergrund.

Die Pandemie trifft nicht nur das Quartier, sondern unter den Aktivist*innen auch auf ein Gefühl der Erschöpfung angesichts multipler politischer Problemlagen und einer nun noch weiter eingeschränkten Handlungsfähigkeit. So erscheint die Krise auch als Chance, diese im Lokalen wiederzugewinnen. Organizing im gewohnten Sinne wird auf unbestimmte Zeit nicht funktionieren und gerade erst haben wir die Kooperation einem solidarischen Gesundheitszentrum begonnen. So wie für viele andere (basisorientierte) Gruppen lautet daher auch unsere Losung zunächst: Solidarische Nachbarschaftsarbeit.

Mieter*innentreffen im Schönefelder Innenhof

4 Lockdown-Aktivismus & Post-Lockdown Organizing: Darstellung und Deutung unserer Erfahrungen

Die Solidarische Nachbarschaftsarbeit lässt sich in eine von drei Phasen einordnen, entlang derer sich der Lockdown-Aktivismus der Mietergemeinschaft beschreiben lässt: (1) Corona als Moment der Organisierung: Hierunter fällt die Welle der Nachbarschaftsarbeit und die Rahmung von Corona als Möglichkeitsraum der Solidarität. (2) Organisierung trotz Corona: Dies umfasst Versuche, möglichst viele Elemente der Organizing-Praxis unter Pandemie-Bedingungen zu adaptieren. (3) Die Organisierung nach (?) Corona:Diese Phase beschreibt die Rückkehr zu einem scheinbar normalen Modus der Organisierung in der Klammer von vergangenem und kommendem Lockdown.

Phase 1: Corona als Moment der Organisierung:Der Aufbau von Strukturen der Nachbarschaftshilfe steht zunächst nicht im Widerspruch zum TCO-Ansatz. Im Gegenteil: Die Pandemie erscheint als Gelegenheitsfenster, alternative, kapitalismus-kritische Narrative der Pandemie zu teilen und Gelegenheiten zum praktischen Erlernen und Erfahren von Solidarität zu schaffen. Zusammen mit der Poliklinik werden unter dem Slogan „Gemeinsam statt Einsam“ etliche Plakate und Handzettel gedruckt und verteilt sowie eine Telefonnummer eingerichtet. Erste Telefonate mit den Mitgliedern der Mietergemeinschaft zeigen aber auch: Viele sind bereits versorgt oder eigenständig dazu fähig ohne sich einem hohen Risiko auszusetzen. Die Sorge, in Folge der Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten ist unter ihnen eher gering.

Schon im März deutet sich an, dass große Wohnungsunternehmen zu den finanziellen Profiteuren der Krise gehören werden. So wirkt es fast wie eine Provokation, als Mitte März im Quartier Briefe von Vonovia eingehen, in denen das Unternehmen an Solidarität appelliert und selbst „solidarische“ Maßnahmen vorstellt – diese reichen jedoch in keinem Punkt über die gesetzlich festgelegten Sonderregelungen für Mietverhältnisse hinaus. Während die nachbarschaftlichen Solidaritätsstrukturen über die Poliklinik weiterhin aufrechterhalten werden, reift unter den Aktivist*innen der Mietergemeinschaft das Bedürfnis, das zweifelhafte Solidaritätsverständnis der Vonovia SE öffentlich zu kommentieren und generell mietenpolitisch Stellung zu beziehen.

Phase 2: Organisierung trotz Corona: Die daraus resultierende Frage, wie auch unter Pandemiebedingungen eine partizipative Debatte gestalten werden kann, bringt verschiedene Herausforderungen mit sich. Im Vordergrund steht die Frage, über welche Medien die größtenteils älteren Mieter*innen erreichbar sind. Interaktive Formate wie Video- oder Telefonkonferenzen scheiden aus. Telefonisch und postalisch sind alle erreichbar, es findet sich jedoch kein Medium, das eine kollektive Debatte ermöglicht. Letztlich fällt die Wahl auf zwei Formate: ein telefonisch und postalisch organisiertes Beteiligungsverfahren zur Formulierung eines Offenen Briefs an Vonovia, und ein Rundbrief, in dem über Aktuelles aus der Mietergemeinschaft aber auch kritisch über wohnungspolitische Maßnahmen, weltweite Krisenlage und Proteste (z.B. Mietstreiks) informiert wird. In Anbetracht der Dynamik, mit der sich die gesellschaftliche Lage verändert wirken beide Vorhaben zwar sinnvoll, aber auch träge und unsichtbar.

Deutlich leichter scheint die Konzentration auf Kontakte und Kanäle, die schnell und reibungslos funktionieren. Es ist ein günstiger Zeitpunkt für eine Vernetzung mit mietenpolitischen Akteur*innen in Leipzig: Die Corona-Krise ist ein gemeinsamer Fokus und Videokonferenzen ermöglichen niedrigschwellige Treffen. Aus dieser Runde entsteht eine gemeinsame Radiosendung fürs Freie Radio. Auch in den sozialen Medien ist die Mietergemeinschaft aktiv geworden, um Mangels analoger Alternativen im digitalen Raum sichtbar zu werden.

Phase 3: Organizing nach (?) Corona. Steigende Temperaturen und sinkende Infektionszahlen machen ab Frühsommer die Planung von physischen treffen wieder möglich. Den Beginn machen Kleingruppentreffen, ab Juli finden wieder Versammlungen unter freiem Himmel statt. Erfreulicherweise kommt die Mietergemeinschaft trotz Unterbrechung wieder vollzählig zusammen. Drei Monate Kontaktbeschränkung haben für das Mietverhältnis bei Vonovia kaum Veränderungen mit sich gebracht – weder sind die Mieter*innen (zumindest augenscheinlich) in weitere finanzielle Engpässe geraten noch zeigt sich der Konzern von einer anderen, mieter*innenfreundlicheren Seite. Empörung über fehlerhafte Abrechnungen und Modernisierungs-Mieterhöhungen werden mit auf die Versammlung gebracht. Es ist weiterhin dringend notwendig, Druck aufzubauen, um der Kritik an Unternehmen wie Vonovia und ihren Profitstrategien eine Öffentlichkeit zu verschaffen. In einer Arbeitsgruppe zum Thema Betriebskosten wurde ein Plan für ein kollektives Vorgehen entwickelt, um im direkten Gespräch mehr Mitglieder für die Mietergemeinschaft zu gewinnen und das Unternehmen in Zugzwang zu bringen. Der Konsens zu diesem Vorgehen ist jedoch instabil und das Zeitfenster für die weitere Planung sowie die Durchführung klein. Wenn nicht ein zweiter Lockdown, so werden es früher oder später die Witterungsbedingungen sein, die den Versammlungen und Aktionen der Mietergemeinschaft ein vorläufiges Ende setzen. Unter erschwerten Bedingungen und mit nur mäßiger Beteiligung von Mieter*innen finden Anfang Oktober Haustürgespräche statt sowie zwei Informationsveranstaltungen zu Modernisierungen und Betriebs- und Nebenkosten. Ende Oktober wird schließlich der „Lockdown-light“ verhängt, ohne dass es die Mietergemeinschaft geschafft hätte, wieder richtig auf die Füße zu kommen. Das Gemeinschaftsgefühl ist geblieben, die kollektive Wirksamkeit hingegen hat gelitten.

Geoffrey Pleyers hingehen macht eine Sichtweise stark, die den Fokus auf die, in seinen Augen herausragenden, Aktivitäten legt, die den Bewegungen trotz Pandemie gelungen seien (Pleyers 2020: 2). Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung seien die sozialen Bewegungen „particulary activ“ (ebd.) gewesen, sofern man den Fokus auf die weniger sichtbaren Elemente politischen Protests lenkt: das Entwickeln neuer Protestformen, der Verteidigung von Arbeiter*innenrechten, gegenseitige Hilfe und Solidarität sowie dem Entwickeln von Weiterbildungsformaten. All dies sind Elemente, die dem TCO ohnehin zu eigen sind. Diese Herangehensweise bezweckt den Aufbau nachhaltiger widerständiger Strukturen und zielt nicht primär auf kurzfristige Sichtbarkeit und öffentliche Diskursverschiebung. Im Grunde genommen müsste es der TCO-Ansatz also erleichtern, auch während der Pandemie aktiv zu bleiben. Im Folgenden möchten wir reflektieren, welche Hindernisse und Nachteile, aber auch welche Potenziale und Vorteile sich im TCO-Projekt der Mietergemeinschaft im Kontext der Pandemie gezeigt haben.

Die erste Phase des Lockdown-Aktivismus ist von einem aktivistischen Überschuss gekennzeichnet. Ohne Frage haben diverse ehrenamtliche Personen und Organisationen eine entscheidende Rolle dabei gespielt, die sozialen Folgen der Pandemie abzumildern und auf die enormen Bedarfe an sozialer Sicherung hinzuweisen, sowie auf diejenigen, die dabei ausgeschlossen werden. Auch Pleyers (2020: 5) stärkt diese Position, betont jedoch darüber hinaus: „In this period of social distancing and isolation, social movements build ties.” Gerade die Frage nach den ‚ties‘ bedarf jedoch einer differenzierten Betrachtung: Es wurde eine Überschuss an aktivistischem Angebot gestellt bei mangelnden Fähigkeiten, diese im Quartier zielgerichtet und sinnvoll einzusetzen (Reichle 2020). Die ersten Telefonate im Lockdown mit den Mieter*innen hätten ein Hinweis sein können, dass nachbarschaftliche Unterstützungsangebote nicht in dem gebotenen Ausmaß genutzt werden würden. Auch hätte hier die Chance gelegen, konkreten Bedarfen nachzugehen. Der aktivistische Überschuss zeigt sich auch in der Hoffnung auf einen solidarischen Aufbruch zu Lasten seiner Anschlussfähigkeit unter den Mieter*innen. Die kritische Gegenwartsanalyse der (akademisch gebildeten) jungen Aktivist*innen reicht über die der älteren Mieter*innen hinaus. Die gesellschaftliche und gesundheitliche Situation wird zwar (überwiegend) mit Besorgnis wahrgenommen, sie wird jedoch seitens der Mieter*innen weder als Ausdruck einer „sozialen, politischen und ökonomischen Krise“ (Mullis 2020) betrachtet noch wird ihr ein „enormes Potenzial für zukünftige Nachbarschafts- und Stadtpolitik“ (Solty 2020) attestiert. Dieser Unterschied ist in Organizing-Projekten nicht ungewöhnlich– im Gegenteil: Man könnte sogar sagen, als Ausgangspunkt ist es für diese politische Herangehensweise konstitutiv, mittels Austausches und gemeinsamer Analyse die alltäglich-individuelle Mikroebene mit der analytisch-systematischen Makroebene in Verbindung zu setzen.

Verschärft äußert sich die Tendenz des aktivistischen Überschusses in der zweiten Phase des Lockdown-Aktivismus: Ursächlich ist der seitens der Aktivist*innen entstehende Wunsch, sich politisch zu positionieren, während für die gesamte Mietergemeinschaft weder eine geteilte Analyse vorausgesetzt werden kann, noch der Raum besteht, diese zu erarbeiten. Das transformatorische Potenzial des Organizings liegt in der Debatte und der Zusammenkunft. Jenseits der konkreten Ergebnisse ist allein der Akt, eine Versammlung zu besuchen, Ausdruck des Willens nach Gemeinschaft. Dies gilt für Demonstrationen, auf denen sich Widerspruch öffentlich manifestiert, aber auch für Nachbarschaftsversammlungen als Orte politischer Aushandlungen. Für einige konnte (wenn auch mit Einbußen) über digitale Kommunikationsmedien Gemeinschaft immerhin simuliert und die Debatte aufrechterhalten werden. Entlang der Kommunikationsmedien verschärfen sich aber auch Ausschlussmechanismen und Spaltungslinien: sie trennen die als politische Subjekte ohnehin marginalisierten „Alten“ erneut von den „Jungen“, begleitet von der Tatsache, dass Medienkompetenz auch mit materieller Verfügbarkeit sowie Zugang zu entsprechender Bildung zusammenhängt. Für das Fallbeispiel wird dies auch nicht durch Pleyers treffende Feststellung aufgehoben, dass „(n)ational and international movement networks are actively engaging in sharing experience and analyses via online platforms and social media.” (Pleyers 2020: 9) Durch den Lockdown sind unter den Aktivist*innen Ressourcen für verstärkte Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit frei geworden, dabei deutet sich jedoch eine Form von Stellvertreter*innenpolitik an, die mit dem TCO-Ansatz ideell nicht vereinbar ist. Zudem sind die genutzten Social-Media-Portale von hoher Exklusivität gekennzeichnet – allen voran Twitter – und werden von den Mieter*innen schon altersbedingt kaum genutzt.

Die ersten beiden Phasen zeugen von einer konträren Prioritätensetzung zwischen den Aktivist*innen und den Mieter*innen sowie von einer Vertiefung dieser Unterscheidung. So sind auch die Herausforderungen, das sommerliche Pandemie-Loch (dritte Phase) aktiv zu nutzen, in diesem Kontext zu sehen. Während die Aktivist*innen (zu Recht) eine Zuspitzung ohnehin krisenhafter Verhältnisse sehen und große Hoffnungen darauf setzten, diese zu skandalisieren, sind die Mieter*innen auf ihre individuellen Probleme fokussiert. Statt durch Mobilisierung kollektive Gegenmacht aufzubauen, wünschen sie sich Unterstützung bei rechtlichen und bürokratischen Fragen, die sich nur bedingt kollektivieren lassen. Für notwendige Annäherungs- und Einigungsprozesse zwischen beiden Positionen sowie für kollektives erfahrungsbasiertes Lernen haben die Lockdowns schlicht die Zeit geraubt und die räumliche Trennung auch die Erfahrungshorizonte in dieser diversen Zusammensetzung wieder entzweit.

5 Schlussfolgerung: Was soziale Bewegungen vom Organizing unter Corona-Bedingungen lernen können

Mit Blick auf die Übertragbarkeit unserer Erfahrungen liegt die Frage nach dem Charakter des untersuchten Falls nahe: Steht er für mehr als sich selbst? Wir denken ja. Wir haben es zwar nicht mit einem postmigrantischen Quartier zu tun, das gewissermaßen die Zukunft einer sich diversifizierenden Gesellschaft abbildet und schon deshalb exemplarisch ist (Hamann/Vollmer 2019). „Unser“ Quartier ist jedoch beispielhaft für die vielen anderen Nachbarschaften, die mit gesellschaftlichen Öffnungen hadern. Gerade Vonovia hat häufig ehemals kommunale oder genossenschaftliche Bestände mit einem ähnlichen Bewohner*innen-Profil übernommen, sodass unsere Erfahrung mit den Mieter*innen als typisch gelten können.

Mit anderen Initiativen teilen wir hingegen die Herausforderung, Heterogenität zu organisieren und einen gelingenden Umgang mit Differenz zu finden. In Berlin-Kreuzberg oder Hamburg-Wilhelmsburg mögen sie anders gelagert sein, aber Spannungen innerhalb der Nachbarschaft sowie zwischen Organizer*innen und Nachbar*innen gehören zur Grunderfahrung der mietenpolitischen Basisarbeit. Sie können zwischen Alteingesessenen und Bewohner*innen mit Migrationsgeschichte, zwischen migrantischen Communities oder/und zwischen Klassen(-fraktionen) auftreten. In Hinblick auf COVID-19 – und v.a. auch die „neuen Horizonte“ nach der Pandemie – spielt neben dem sozialen Hintergrund (höherer Bildungsabschluss, Herkunftsmilieu in der Mittelschicht) das Alter eine herausgehobene Rolle als Differenzmerkmal innerhalb der Organisierung. Wenn wir abschließend verschiedene Kommentare aus der Bewegungsforschung unsererseits mit Bezug auf unsere Erfahrungen kommentieren, müssen wir diese Differenz im Blick behalten.

Der Einschätzung, „movements for social justice have actually been particularly active during this period” (Pleyers 2020: 2) können wir uns nur halb anschließen. Und dass die “importance of activism in daily life and of building solidarity in communities beyond activist circles” (ebd.: 3) pandemiebedingt in den Fokus der Bewegungen gerückt sei, demonstriert u.E. die Bedeutung, aber auch schwache Aneignung von TCO-Ansätzen. Zwar haben soziale Bewegungen unter den erschwerten Bedingungen eine breite Palette von Aktivitäten angeschoben. Sie konnten aber u.E. das angestammte Protestmilieu nicht überschreiten und müssen in der Rückschau in weiten Teilen als Aktionismus betrachtet werden.

Am „daily life“ anzuknüpfen und über die aktivistische Szene hinauszuwirken gehört zum Grundmerkmal des TCO. In der Pandemie schlägt trotzdem nicht automatisch die Stunde des Organizing. Die Solidaritätsangebote, im März und April 2020 unterbreitet von vielen Gruppen aus dem gesamten Bewegungsspektrum, wurden nur eingeschränkt nachgefragt. Dass „the political-economic status quo has been revealed as incapable of meeting the needs of everyday life” (Madden 2020: 677) mag zwar für die informierte und kritische Öffentlichkeit so sein; für die Leipziger Mieter*innen war es aber keineswegs „impossible to deny the fundamental brittleness of neoliberal urbanism” (ebd.). Unsere Hoffnungen, wir könnten diese Umstände skandalisieren und die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Ungleichheiten (Wohnen–Arbeiten–Gesundheit) verdeutlichen, haben sich nicht erfüllt. Hingegen ist es uns sehr wohl gelungen, Wege und Mittel der Kommunikation zu finden, um den Kontakt mit den Mieter*innen aufrecht zu erhalten, und sogar eine Reihe von „nicht-präsentischen Aktivitäten“ in Angriff zu nehmen. Sie markierten freilich eine bemerkenswerte Ungleichzeitigkeit: Während vor der Pandemie viel Kraft in die Beziehungsarbeit mit dem Mieter*innen geflossen ist, wurden während des Lockdowns Ressourcen für öffentlichkeitswirksame Aktionen (Radio, Nachbarschaftszeitung, Webpräsenz, Social Media) frei.

Waren die Erwartungen der Organizer*innen also überzogen? Die außergewöhnlichen Umstände der Pandemie stellen den Bedarf an Erfolgen und an Sichtbarkeit auf die Probe. Die Energie, die frei und in Aktivismus umgesetzt wurde, ist der Beweis. Die Trennung zwischen Organizer*innen und Mieter*innen konnte er jedoch nicht überwinden. Dass „mass protest has become … almost a routine part of urban life“ (Madden 2020: 679) stimmt eben allenfalls für das aktivistische Spektrum. Hier wurden digitale Vernetzung und Videokonferenzen erprobt und etabliert sowie kreative Aktionen im öffentlichen Raum durchgeführt. Aber die breite Stadtgesellschaft, prekär Wohnende und ältere Mieter*innen konnten damit kaum angesprochen werden. Der als Online- und Fensterdemo durchgeführte Housing Action Day 2020 hat sich dementsprechend in der Nachbarschaft unserer Fallstudie auch nicht als anschlussfähig erwiesen.

Die Situation während des zweiten Lockdowns seit November 2020 zeugt von Ernüchterung, man kann aber auch sagen: von einem Lernprozess. Ein vergleichbarer Aktivismus wie im Frühjahr 2020 bleibt aus, wird auch von uns nicht angestrebt. Besser die knappen Ressourcen schonen und wichtige strategische Debatten führen. Gleichwohl bleibt die Kommunikation zu den Mieter*innen gestört und die Beziehungsarbeit stockt. Man kann es nicht anders sagen: Organizing leidet unter den fehlenden Versammlungsmöglichkeiten und die Verlagerung von Kommunikation in den digitalen Raum erzeugt Ausschlüsse. Darüber hinaus gehören ältere Menschen zur COVID-Risikogruppe, was die Organizingaktivitäten auch unter gelockerten Infektionsschutzbestimmungen erschwert.

Pleyers These, die sozialen Bewegungen seien jenseits öffentlicher Sichtbarkeit überaus aktiv gewesen, ist vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen nur eingeschränkt zuzustimmen: Die Bewegungen waren innerhalb aktivistischer Kreise aktiv, mobilisierungsfähig und in ihrer Arbeitsfähigkeit kaum eingeschränkt. Obwohl – oder gerade weil – ihr Fokus auf beziehungsorientiertem Arbeiten und jenseits öffentlicher Sichtbarkeit liegt, wurde transformatives Organizing durch die Pandemie aber massiv behindert. Gemessen an dem (ohnehin hohen) Anspruch, bewegungsferne Personen zu erreichen, hat die Pandemie sich als große Hürde erwiesen. Die Erfahrung, politische Erfolge nicht nur im Raum des Sichtbaren erzielen zu können, bleibt jedoch. Sie kann Aktivist*innen anregen, Kriterien für erfolgreiche Bewegungspolitik zu hinterfragen und helfen, den TCO-Ansatz unter ihnen tiefer zu verankern.

Literatur

Bescherer, Peter 2021: Solidarität durch Mieterkämpfe? Nachbarschaftsorganizing im Leipziger Nordosten. In: Bescherer, Peter/Burkhardt, Anne/Feustel, Robert/Mackenroth, Gisela/Sievi, Luzia: Urbane Konflikte und die Krise der Demokratie. Stadtentwicklung, Rechtsruck und soziale Bewegungen. Westfälisches Dampfboot (i.E.).

Choudry, Aziz 2014: (Almost) Everything you always wanted to know about activist research but were afraid to ask: What activist researchers say about theory and methodology. In: The Multidisciplinary Journal of Social Protest 1(2), 75-88.

Común 2019: Común. Magazin für stadtpolitische Interventionen #2/Nov. 2019.

Genz, Carolin 2019: Housing the elderly: between crisis and resistance. In: Radical Housing Journal 1(2), 185-190.

Graefe, Stefanie/Haubner, Tine/van Dyk, Silke 2020: „Was schulden uns die Alten?“ Isolierung, Responsibilisierung und (De-)Aktivierung in der Corona-Krise. In: Leviathan 48(3), 407-432.

Hamann, Ulrike/Vollmer, Lisa 2019: Mieter*innenproteste in der postmigrantischen Stadt. In: Forschungsjournal Soziale Bewegungen 32(3), 364-378.

Kuhn, Armin 2020: Als hätte es nie eine Krise gegeben. Wohnungspolitisches Weiter-so in der COVID-19-Pandemie. In: Común. Magazin für stadtpolitische Interventionen #4, 36-37.

Madden, David 2020: The urban process under covid capitalism. In: City 24(5-6), 677-680.

Maruschke, Robert 2014: Community Organizing. Zwischen Revolution und Herrschaftssicherung. edition assemblage.

Metzger, Philipp 2020: Konzerne als Krisengewinner. Wohnen im Haifischbecken. Teil 2: Big Player am Markt machen während Coronapandemie gute Geschäfte. In: junge Welt v. 17.12.2020, 5.

Mullis, Daniel 2020: Protest in Zeiten von Covid-19: Zwischen Versammlungsverbot und neuen Handlungsoptionen. In: Forschungsjournal Soziale Bewegungen 33(2), 528-543.

Pleyers, Geoffrey 2020: The Pandemic is a battlefield. Social movements in the COVID-19 lockdown. In: Journal of Civil Society, 1-18.

Reichle, Leon Rosa 2020: Nachbarschaftliche Solidarität in der Krise? In: Corona Monitor. 4. August 2020, https://coronamonitor.noblogs.org/2020/08/04/nachbarschaftliche-solidaritaet/.

Solty, Ingar 2020: Stunde des Wir. Das Virus macht denkbar, was unmöglich schien. Die Chance muss ergriffen werden. In: Neues Deutschland. 4. April 2020, https://www.neues-deutschland.de/artikel/1135123.corona-stunde-des-wir.html?sstr=solty|stunde|des|wir.

Unger, Knut 2018: Mieterhöhungsmaschinen. Zur Finanzialisierung und Industrialisierung der unternehmerischen Wohnungswirtschaft. In: Prokla 48(2), 205-225.

1 Unsere Überlegungen zum Organizing in Zeiten der Pandemie sind Ergebnis aktivistischer Forschung. Als Aktive in sozialen Bewegungen greifen wir – wenn auch in politisch-praktischer Absicht – zurück auf verschiedene sozialwissenschaftliche Methoden (Choudry 2014). Dazu gehören etwa teilnehmende Beobachtung, qualitativ-empirische Forschung, intersektionale Analysen oder das Mapping von sozialen Positionen. Das gilt insbesondere für Organizing-Aktivitäten, die auf die Überwindung der Grenze zu kulturell und politisch fremden Milieus abzielen und Machtressourcen nutzbar machen wollen. Aus der Perspektive der Sozialforschung reflektieren wir zudem den Organizing-Prozess und seine Kontexte (gewissermaßen eine Beobachtung zweiter Ordnung). Das empirische Material, auf das wir hier zurückgreifen, sind unsere eigenen Erfahrungen, die teils in Beobachtungs- und Gesprächsnotizen festgehalten sind, sowie Dokumente aus dem Organisierungsprozess (Versammlungsprotokolle etc.).

2 Eine Form der Altersdiskriminierung ist uns etwa begegnet im Rahmen des sog. Kiezspaziergangs, den Vonovia veranstaltete, um „Anregungen für ein gegenseitiges Miteinander im Quartier aufzunehmen“. In Reaktion auf unseren Protest hieß es seitens der Vertreter*innen des Unternehmens: „Hier sind ja nur Ältere und Leute, die gar nicht im Quartier wohnen.“

Bild: Versammlung der Mietergemeinschaft Schönefelder Höfe/Leipzig im Corona-Sommer 2020